Reise Mosambik
Mosambik: Mit Street-Art gegen den HI-Virus

In Moma gibt es viel Vergangenheit. Eine halb verfallene Statue zu Ehren der Unabhängigkeitskämpfer steht seit Jahren unbeachtet am Ende einer langen staubigen Straße, direkt am unzugänglichen Ufer eines Flusses. Mosambik wurde erst 1975 unabhängig und versank danach in einem Bürgerkrieg, der 1991 endete. Früher war Moma ein Zentrum des Sklavenhandels und bis heute sind die alten Kokosplantagen, auf denen die Sklaven arbeiteten, die einzige Einnahmequelle der Bewohner.

„Moma ist eine Welt, die ich mir trotz der vielen Jahre als Arzt in Afrika nicht vorzustellen vermochte“, erzählt der Kinderarzt Paolo Lanzoni von seiner Ankunft vor einem Jahr. Die Kleinstadt liegt fünf beschwerliche Fahrstunden vom nächsten Supermarkt und Krankenhaus entfernt.

Für viele Hilfsorganisationen gibt es sicherlich attraktivere Orte als Moma“, meint Paolo, während er durch die Stadt spaziert, vorbei an Müllbergen und dem stinkenden Flussufer, das als öffentliche Toilette dient. Dabei braucht Moma dringend Hilfe. „Von den 40.000 Einwohnern Momas ist die Hälfte mit dem HI-Virus infiziert. Von den 1.600 Geburten im Jahr sind ebenfalls die Hälfte der Säuglinge HIV-positiv, mit steigender Tendenz“, erzählt Lanzoni.

Die italienische NGO Doctors with Africa, für die Lanzoni arbeitet, will daher unbedingt die Menschen aufklären. „Mit unserer Freiwilligengruppe und dem Forum Theater Projekt in der Lokalsprache Makúa informieren wir die Bewohner der entlegenen Dörfer über die häufigsten Krankheiten, wie Aids, Tuberkulose und Malaria. Neu ist, dass wir jetzt auch in Bildern über Vorsorge und Behandlung informieren“, beschreibt Lanzoni die Ziele seiner Arbeit.

Auf die Bleistiftzeichnung an der Wand folgen die ersten Farbkleckse. © Miriam Eckert

Auf die Bleistiftzeichnung an der Wand folgen die ersten Farbkleckse. © Miriam Eckert

Die Bilder sind die neue Waffe im Kampf gegen das Virus. Damit in Moma auch die Zukunft einen Platz findet, hat Lanzoni ein Mural geplant, ein großes Wandbild. „Die fehlende Aufklärung und Intoleranz sind unsere größten Herausforderungen“, sagt der Arzt zu dem Mural, welches der erste Versuch ist, in der Öffentlichkeit mit verständlichen Bildern über Aids zu informieren.

An dem Mural arbeiten in der Hitze des Tages acht Jugendliche. Zunächst wird die rote Mauer aus Lehmziegeln mit weißer Farbe übertüncht, begleitet vom arabischen Gesang des Muezzins aus der Nachbarschaft. „Niemand versteht hier, was er ruft, wir lernen kein Arabisch“, erzählt der zwanzigjährige Sadique aus Moma. Dann wird darüber diskutiert, woher das HI-Virus eigentlich stammt. Malt man zu Beginn der Geschichte einen Drachen, einen Affen oder vielleicht einen Weißen? Am Ende einigt man sich auf den Affen.

Über Aids sprechen die jungen Maler kaum, das Thema ist ihnen zu intim, auch wenn sie andere über diese Krankheit informieren wollen. Die jungen Frauen der Gruppe sagen gar nichts, sie finden sich mit der Motivwahl der Männer kommentarlos ab. „Die Rolle der Frau ist in Moma sehr traditionell, sie gehen selten in die Schule, werden früh verheiratet und sind ihren Männern völlig untergeordnet, dies erschwert die Aufklärung noch weiter“, erzählt Paolo.

Nach drei Tagen Arbeit sind schon die Details des Murals erkennbar. © Miriam Eckert

Nach drei Tagen Arbeit sind schon die Details des Murals erkennbar. © Miriam Eckert

Mit Kohle zeichnen die Maler ihre Motive an die Wand. Geschickt und schnell lassen sie die Bilder einer HIV-infizierten Frau an der Wand entstehen, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt. Sie wird ein gesundes Kind bekommen, weil sie Medikamente nimmt, und sie bringt ihren Mann dazu, zusammen mit ihr einen AIDS-Test zu machen.

„Es wäre eine Sensation, wenn auch nur ein Bruchteil der Frauen hier in Moma dies tun würde. Oft ist die Angst vor den Ehemännern zu groß. Alte Vorurteile, fehlende Bildung und Ignoranz bestimmen diese kleine Welt hier.“ Dagegen gehen viele Menschen zu den traditionellen Heilern auf dem Markt. Die verkaufen gegen AIDS-Symptome batata africana, eine kleine schwarze Knolle, die hier auch gegen Tuberkolose eingesetzt wird. „Ein Allheilmittel Mosambiks, aus dem Salben und auch ein bitterer Tee zubereitet werden kann“, erklärt Sadique.

Drei Tage in der glühenden Sonne und im Staub malt die Gruppe geduldig auf der unebenen Wand die kleinen Farbflächen aus. Der weiße Hintergrund blendet und die zehn Meter lange Wand scheint täglich länger zu werden. Gegen die Sonne und den roten Staub schützen die Kopftücher und der Schatten einer schwarzen Folie, die als Abtrennung zur Straße aufgestellt wurde.

Für die vielen Kinder, unter ihnen auch viele Waisen, die auf der Straße leben, ist die Malerei eine Attraktion. Sie stehen um die Farbtöpfe herum und werden mit dem lauten Ausruf „Zucca“ geduldig jede Minute von den Malern aufs neue verscheucht.

Wandmalerei zur Aids-Aufklärung in Moma, Mosambik. © Miriam Eckert

Wandmalerei zur Aids-Aufklärung in Moma, Mosambik. © Miriam Eckert

Die Hauptdarstellerin der Geschichte des Murals nimmt langsam Farbe an. Sie wird mit retroviralen Medikamenten behandelt, was die Infektionsrate des Embryos während der Schwangerschaft um 30 Prozent senkt. Eine spezielle Spritze vor der Geburt senkt die Rate um weitere 30 Prozent und die Ersatzmuttermilch, die das Bruststillen ersetzt, noch einmal um 30 Prozent.

Im echten Leben vor der Mauer ist es leider oft so, dass die fehlende Ersatzmilch eine erfolgreiche Vorsorge verhindert. Viele Frauen müssen ihre Babys stillen. „Es gibt nichts, was mehr frustriert, als zu sehen, dass ein gesundes Kind drei Wochen nach der Geburt schon infiziert ist“, sagt Paolo.

Unbeeindruckt von der traurigen Wirklichkeit wird das Mural fertig. Die namenslose Hauptdarstellerin des Bildes sagt dem HI-Virus den Kampf an. Die Teilnehmer des Projektes signieren mit ihrem Namen an der Wand. Paolo steht davor und erzählt, dass er sich selten während seiner Arbeit in Afrika nach Italien gesehnt habe, „aber hier in Moma ist alles sehr anders und sehr speziell“.

So oft es die schlechte Handyverbindung erlaubt, telefoniert er mit seiner Familie. Einen Handymast gibt es hier seit 2010, in Moma wirkt er seltsam fremd, so als wäre er aus der Zukunft mitten in der Vergangenheit abgestellt und vergessen worden.

Von Miriam Eckert

Der ganze Artikel und eine Fotostrecke sind beim FLUTER erschienen. Dieser Artikel könnte Sie auch interessieren: Die Mosaike von Maputo

Ein Team von zehn Jugendlichen malte das Aids-Mural in Moma. © Miriam Eckert

Ein Team von zehn Jugendlichen malte das Aids-Mural in Moma. © Miriam Eckert

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